15 Apr „Ich liebe, dafür bin ich – Amo, id quod sum“
„Ich liebe, dafür bin ich – Amo, id quod sum“
Natalie Rosini’s Interview mit dem Künstler Mike Kuhlmann über die Notwendigkeit des Teilens, die Aufgabe der Kunst und die Amorisation.
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Mike Kuhlmann ist ein Frankfurter Künstler und als Aktivist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
Liebe, Teilen und Geld stehen im Zentrum von Kuhlmanns Kunst, den Gemälden, Bildern und seiner Sozialen Skulptur der Liebe – der Amorisation.
1992 präsentierte er in einem Gemäldezyklus erstmalig seine „Liebesbilder“ mit dem Herz als Zentrum des Kunstwerkes in Frankfurt. Das Herzsymbol ist das Grundmuster der Liebe und erscheint als alles durchdringende kosmische Energie. Seitdem sind tausende Liebesbilder entstanden, wurden weltweit ausgestellt und teilen ihre Herzens Botschaften.
1996 etabliert Kuhlmann mit seinem Werk propheten die weltweit erste Marke des Teilens. Im Mittelpunkt steht das Kind, als Kinderseele – dem inneren Kind. Nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe 2005 unterstützte er gemeinsam mit Eintracht-Präsident Peter Fischer und vielen Frankfurtern den Wiederaufbau und die Digitalisierung von sechs staatlichen Schulen in Thailand – propheten ILC (International Learning Center).
Im Rahmen dieses Hilfsprojektes entstand das „Längste Kinderbild der Welt“- ein 208 Meter langes Kunstwerk, das von den Schulkindern in Phuket gemeinsam gemalt wurde und in Frankfurt als Dankeschön für die Hilfe 3 Monate gegenüber der alten Oper zu sehen war.
Mit der Wiesbadener Helene-Lange-Schule förderte propheten den Bau von 38 Grundschulen in Nepal und die Bildungsprojekte der HIV Hilfsorganisation OrangeBabies in Afrika.
Ab 2007 entstand in Bad Nauheim und Frankfurt das World Sharety Project, das Städten das Teilen lehrte und als Plattform für Ideen, Projekte und Initiativen des produktiven Teilens entwickelte. Hamburg und Berlin folgten dem Beispiel.
2009 lud Kuhlmann –inmitten der Finanzkrise – den Dalai Lama ins Frankfurter Waldstadion ein, um mit 50.000 Besuchern vier Tage lang seine „Teachings“ zu Liebe , Mitgefühl und Geld zu teilen.
Mit der Organisation kinderwelten vergab Kuhlmann den Sharety Award für Deutschlands sozialste Schüler.
2015 entstand in Serbien mit dem Day of Love die Initiative „Voli Zivot“ in der Schulkinder Leben lieben lernen.
Seit 2017 beschäftigt sich Kuhlmann intensiv mit der Transformation von Geld, Natur und Liebe. Er präsentierte die Entwicklungen in zahlreichen Ausstellungen. 2021 präsentierte er die DEUTSCHE BAUM MARK – das Geld der Bäume und der Kindeskinder.
******** INTERVIEW *******
Natalie: Mike, Du malst seit 30 Jahren Herzen, nennst sie Liebesbilder.
Mike: Mit der Schönheit des Herzens beschäftige ich mich seit dreißig Jahren, seitdem ich bewusst ein Herz zeichnete und es sah fürchterlich aus. Seitdem zeichne und male ich Herzen – Liebesbilder – und sie werden immer schöner, erfüllen Räume und Betrachter mit Liebe. Ich liebe das.
Das Herz ist das Symbol, das in fast allen Kulturen und auf allen sozialen Ebenen als Zeichen für Liebe, Menschlichkeit und Verständigung verstanden wird. Das Herz ist eine Metapher für nahezu alles, was den Mensch zum Menschen macht.
Natalie: Die Liebe steht im Zentrum Deines Schaffens. Wie definierst Du Liebe?
Mike: Liebe ist das Herz von Allem. Leben ist lieben lernen und Menschen müssen lieben und geliebt werden. Die Ausrichtung auf das liebevolle Sein –
„Ich liebe, dafür bin ich – Amo, id quod sum“
Viele verstehen Liebe als Bindung an einen bestimmten Menschen. Das ist eine wunderschöne Sache, aber Liebe ist mehr, sie ist eine Verhaltens- und Charakterorientierung, eine bewusste Lebenseinstellung zur Welt und zum Kosmos als Ganzes.
Lieben ist tätige Sorge. Liebe ist eine Aktivität und kein Affekt. Liebe muss getan werden, damit sie wirkt – ob Selbstliebe oder die Liebe zur Welt und zum Anderen.
Liebe ist eine Verhaltens- und Charakterorientierung, eine bewusste Lebenseinstellung zur Welt als Ganzes.
„Ich liebe Dich“ heißt somit – ich liebe durch dich alle Menschen, die Welt und das Leben.
Liebe ist Sorgelust und die Freude am Wachstum des Anderen. Sie entspringt dem Bedürfnis, das Getrenntsein zu überwinden und durch Nächstenliebe bis hin zur Fernstenliebe Einheit zu erlangen.
Der Mensch ist eine sehr hohe Entwicklung der kosmischen Liebesenergie, wie Teilhard de Chardin in seinem Werk „Der Mensch im Kosmos“ und „Das Herz der Materie“ beschreibt. Er nennt diesen Prozess Amorisation. Wundervoll.
Natalie: Kann man lieben lernen?
Mike: Natürlich. Lieben kann man lernen, muss man lernen, denn es ist nicht einfach sein Leben liebend auszurichten.
Zu lieben bedeutet Überzeugung und Selbstdisziplin als Ausdruck des eigenen Wollens, Verständnis und Konzentration in dem was man tut – Achtsamkeit – und viel Geduld.
Wir sollten Liebe – Amorisation – zum Schulfach machen.
Natalie: Du sagst, dass wir liebevolle Interaktionen in unseren Alltag integrieren sollen. Was meinst Du damit konkret?
Mike: Wir werden viele Zwänge, die heutzutage auf unsere Seelen oder Psychen einwirken nicht so einfach wieder los. Wir müssen uns also davor schützen, Resillienz aufbauen, das Seelenimmunsystem stärken.
Da hilft es, bewusst liebevolle Interaktionen in seinen Alltag zu integrieren – eigene Liebesrituale. Das geht vom achtsamen Essen, zum Streicheln, Umarmen, Verzeihen, Teilen bis zum Bedanken. Geteilte Momente, die wohltuend wirken.
Der Mensch, der beschlossen hat, liebend zu leben, hat ein besseres Leben als derjenige, dem dies verschlossen bleibt, denn Liebe wird mehr, wenn sie geteilt wird. Und zu lieben ist das einzige Risiko, das sich lohnt.
Natalie: Du sprichst von der sozialen Skulptur der Liebe und beziehst Dich dabei auf Joseph Beuys. Was hat Dich inspiriert?
Mike: Mich hat Joseph Beuys‘ Idee einer „Sozialen Skulptur“ stark beeindruckt. Mit diesem Begriff wird eine Kunst beschrieben, die den Anspruch erhebt, gestaltend auf die Gesellschaft einzuwirken. Meine soziale Skulptur ist die Liebe – die Amorisation.
Wenn wir nicht lieben und nicht teilen, können wir nicht überleben. Lieben ist teilen. Wir müssen eine soziale Skulptur der Liebe erschaffen und aus ihr eine Vision des liebevollen Miteinanders entwickeln. Dabei muss eine neue soziale Bewegung mit neuen Begriffen, Lösungen und Identifikationen geschaffen werden.
Unsere Welt ist ein großartiges Kunstwerk und es ist eine große Kunst diese Welt für alle Lebewesen lebenswert zu erhalten. Ich fühle mich als Künstler im Herzen befugt und aufgerufen an dem Kunstwerk Gemeinsame-Schöne-Welt mitzuarbeiten.
Natalie: Wie würdest Du die aktuelle Zeit beschreiben?
Mike: Wir stehen vielleicht am Beginn der „zweiten Halbzeit“ der Entwicklung der Menschheit – auf dem Weg zu einer Hochkultur des Herzens – das Zeitalter des liebenden Menschen: dem Homo Amoricus.
Es geht um die Kunst zu Lieben – den Moment, das Leben, die Anderen, die Welt. Das sehe ich als Kern des Daseins.
Natalie: Klimawandel, Covid, Digitalisiserung, wachsende soziale Ungleichheit – wir stehen vor enormen Herausforderungen. Welche Aufgaben kann die Kunst übernehmen?
Mike: Die Kunst kann, muss Lust auf die Zukunft machen. Die Rolle des Mahners ist ja von den Medien übernommen worden. Die Kunst muss nun mithelfen schöne, bessere Zukunftsentwürfe zu gestalten. Hierfür muss sie protestieren und manifestieren, aufrütteln oder sanft begeistern – eine zärtliche Revolution. Wir müssen uns eine schöne Zukunft gestalten, sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen – ich glaube, das ist ein guter Rat von Joseph Beuys
Natalie: Während der COVID Lockdowns hast Du mit Mühlheimer Kindern Liebesbilder gemalt um das grösste Kinder-Liebesbild der Welt inmitten des Ruhrgebietes zu formen. Wann können wir dies sehen?
Mike: Das Liebesbild MÜLHEIM LIEBE wird nach den Osterferien 2022 auf dem Rathausplatz entstehen. Ab der Weihnachtszeit malen die Schulkinder nochmals Liebesbilder und schicken sie an den Ober-Bürgermeister. Im April treffen sich alle Kinder auf dem Rathausplatz, bilden ein grosses Herz und halten ihre Liebesbilder in die Luft – das größte Liebesbild der Welt.
In meinem Heimatort Bad Nauheim wirkt zur Zeit die Amorisation BAD NAUHEIM LIEBE. Über 100 Herzbilder schmücken die Innenstadt, begleitet von Ausstellungen und Straßenkunst. …
Ich sehe diese Arbeit als meinen künstlerischen Beitrag zur sozialen Stadtentwicklung – umso liebevoller das Miteinander umso lebenswerter ist die Stadt. Zudem dienen diese Aktionen als Vorbild für weitere Kommunen.
Natalie: Was bedeutet Amorisation für Dich konkret? Kannst Du das einfach erklären?
Ich versuch es mal ….
Liebe ist die wachsende Energie, die im Universum auf den Punkt Omega – vollkommene Liebe – hinwirkt. Diesen kosmogenesischen Prozess hat Teilhard de Chardin „Amorisation“ getauft.
Die Zielvorstellung „Liebe“ bedeutet, dass die liebende Seinsverwirklicheung des Menschen immanentes Ziel der Welt ist. Dabei wird die Liebe stufenweise zur Hauptsache und zuletzt die höchste Form der Evolution.
Die Amorisation ist eine hoffnungsvolle Perspektive, denn sie eröffnet uns die Sicht auf einen positiven Menschwerdungsprozess. Sie kann die Energie freigeben, die im Menschen angelegte Potenz und Strebekraft zur Wesensvollendung zu entfalten.
Teilhard de Chardin hat das wie folgt beschrieben:
Wenn wir eines Tages nach der Beherrschung der Winde, der Wellen, der Gezeiten und der Schwerkraft auch die Energie der Liebe beherrschen, werden wir das Feuer zum zweiten Mal entdeckt haben.
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